Inventur der kleinen Freuden – Dankbarkeit

Kein Mensch ist Ursache seiner selbst …
Das Leben ist eine Gnade, das Sein ist eine Gnade, und das ist die höchste Lehre der Dankbarkeit.

André Comte-Sponville

Ist Dankbarkeit eine Pflicht, wie der Philosoph Immanuel Kant meint? Vielleicht spukt diese Idee noch in vielen Köpfen rum und wir verwechseln Dankbarkeit mit dem Zurückschicken eines Aufzugs. Vielleicht empfinden wir Widerwillen dankbar zu sein, weil unsere Eigenliebe so schnell beleidigt ist.

Dankbarkeit ist keine Pflicht. Sie freut sich über das, was war oder ist. Sie ist damit das Gegenteil des Bedauerns oder Nachtrauerns über etwas, was nicht war, oder ist.

Sie ist auch Gegenteil der Hoffnung und der Angst die beide eine Zukunft wünschen bzw. befürchten, die noch nicht ist und vielleicht nie sein wird.

Dankbarkeit gegen Bekümmertheit, Freude über das, was ist oder war, gegen die Angst vor dem, was sein könnte. Wie leicht fühlt sich das an.

Empfänger unbekannt –
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Vielen Dank für die Wolken.
Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier
und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel.
Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn
und für allerhand andre verborgene Organe,
für die Luft und natürlich für den Bordeaux.
Herzlichen Dank dafür, dass mir das Feuerzeug nicht ausgeht,
und die Begierde und das Bedauern, das inständige Bedauern.
Vielen Dank für die vier Jahreszeiten,
für die Zahl e und für das Coffein,
und natürlich für die Erdbeeren auf dem Teller,
gemalt von Chardin, sowie für den Schlaf,
für den Schlaf ganz besonders,
und, damit ich es nicht vergesse,
für den Anfang und das Ende
und die paar Minuten dazwischen
inständigen Dank,
meinetwegen für die Wühlmäuse draußen im Garten auch.

Hans Magnus Enzensberger

Zähle Deine Segnungen!
Wie selten profitieren wir von diesem einfachen Weisheitsspruch? Gewöhnlich entschlüpft das, was wir haben und das, was wir können der Bewusstheit. Wir sind abgelenkt durch Gedanken daran, was uns fehlt, oder was wir nicht tun können, und verengen unseren Blick auf kleinliche Sorgen und Bedrohungen unseres Prestiges und unseres Stolzes.

Irvin D. Yalom

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